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Problematische Praxis wird Fall fürs Bundesgericht

Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS zieht einen Entscheid des Aargauer Verwaltungsgerichts ans höchste Schweizer Gericht weiter. Aus Sicht der UFS steht die Verwendung von Altersguthaben zur Rückzahlung von Sozialhilfeleistungen in klarem Widerspruch zum Bundesrecht.

Armutsbetroffene Personen werden kurz vor dem Erreichen des Pensionsalters gezwungen, ihr Altersguthaben zur Rückzahlung von rechtmässig bezogenen Sozialhilfeleistungen zu verwenden. Gegen diese stossende, schweizweit einmalige Praxis einiger Aargauer Gemeinden hatte die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS in einem konkreten Fall beim Aargauer Verwaltungsgericht Beschwerde eingereicht. Doch das Verwaltungsgericht stützte die Praxis der Gemeinde.

Dagegen legt die UFS im Namen der betroffenen Person beim Bundesgericht Beschwerde ein. Dies aus folgenden Hauptgründen:

  • Die Praxis und der Entscheid verletzen den bundesrechtlich garantierten Vorsorgeschutz durch Aushöhlung des verfassungsmässigen Ziels der beruflichen Vorsorge.
  • Das Rechtsgleichheitsgebot wird durch Missachtung des Vorsorgeschutzes für Sozialhilfebezüger*innen verletzt.
  • Die kantonale Sozialhilfegesetzgebung wird willkürlich und bundesrechtswidrig ausgelegt.
  • Der betreibungsrechtliche Schutz von Vorsorgegeldern auch nach deren Auszahlung wird missachtet.

Problematisches Vorgehen des Aargauer Verwaltungsgerichts

Weiter kritisiert die UFS das Vorgehen des Aargauer Verwaltungsgerichts. Dieses hat den Sachverhalt ohne nachvollziehbare Gründe auf weitere Sachverhaltsdarstellungen ausgedehnt, die nicht mit den Akten übereinstimmen und auch nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Dadurch wurde die Beschwerdeführerin in ein schlechtes Licht gerückt. Dies auch durch die Medienmitteilung des Aargauer Verwaltungsgerichts, in dem die Darstellungen einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht wurden. Exemplarisch seien lediglich zwei der insgesamt fünf unzutreffenden Darstellungen hervorgehoben:

  • Anders als in der Medienmitteilung des Gerichts ausgeführt, hat die Beschwerdeführerin eine Rückerstattung nicht abgelehnt. Richtig ist dagegen, dass sie einmal eine Rückzahlung von 15'000 Franken und später sogar von 30'000 Franken angeboten hatte, die Gemeinde die Angebote aber nicht einmal beantwortete.
  • Die Beschwerdeführerin hat das Freizügigkeitsguthaben nicht wie dargestellt aus dem Grund bezogen, damit sie nicht wöchentlich zwei Stunden Freiwilligenarbeit leisten muss. Der Auflage zu Freiwilligenarbeit hat sie sogar ausdrücklich zugestimmt. Korrekt ist, dass sie das Guthaben deshalb bezogen hat, um sich von der Sozialhilfe ablösen zu können, um in ihrer Wohnung verbleiben und sich endlich die für sie dringend notwendige Gesundheitsmatratze kaufen zu können.

(publiziert: 17. Juni 2021)

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