UFS Logo

Wohnen mit Sozialhilfe - 2023 wird es besonders eng!

Eine sichere und angemessene Wohnunterkunft ist die wichtigste Voraussetzung für Sozialhilfeempfangende, um einen Ausweg aus der Armut zu finden und in der Gesellschaft wieder Fuss zu fassen. Aber das ist keine Selbstverständlichkeit. In den meisten Städten und Gemeinden der Schweiz sind bezahlbare Wohnungen ein knappes Gut. Das gilt nicht nur für Armutsbetroffene, sondern auch für Personen und Familien bis weit in den Mittelstand hinein. Sozialhilfeempfangende aber sind vom knappen Wohnungsangebot besonders betroffen.

Im Jahr 2023 werden die Wohnkosten deutlich steigen – nicht nur wegen den höheren Nebenkosten. Das ohnehin rare Gut «Günstige Wohnung» wird noch seltener. Mit einer Reihe von Newslettern beleuchtet die UFS die Herausforderung «Wohnen mit Sozialhilfe» mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten. Die UFS will damit dazu beitragen, dass das Thema stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rückt.

  • Die Newsletter mit Schwerpunkt «Wohnen» werden von der Glückskette finanziell unterstützt. Dafür bedanken wir uns herzlich

Nebenkosten vollständig übernehmen!

Die Wohnkosten kennen derzeit nur einen Weg: Nach oben. Es sind gleich vier Preistreiber, die gemäss den meisten Analystinnen und Analysten 2023 für höhere Wohnkosten sorgen: Die steigenden Nebenkosten, die Inflation, höhere Hypothekarzinsen und eine zu geringe Neubautätigkeit. Sozialdienste und kommunale Behörden müssen deshalb zwingend, die Entwicklung der Wohn- und Mietkosten gut beobachten und ihre Richtlinien entsprechend anpassen.

Nebenkosten - Schock ist absehbar

Preistreiber Nr. 1 bei den Wohnkosten sind die Nebenkosten, namentlich die höheren Energie- und Strompreise. Das dürfte mittlerweile kaum mehr jemanden überraschen. Die Medien haben vielfach auf diesen Fakt verwiesen. Die Zahlen sind eindrücklich: Um knapp 40 Prozent sind die Energiekosten 2022 angestiegen. Je nach Quelle werden sie im laufenden Jahr nochmals zwischen 20 und 40 Prozent zulegen. Hinzu kommen Strompreise, die 2023 durchschnittlich fast 30 Prozent höher sein werden als zu Beginn des Jahres 2022. Das geht bei Geringverdienenden, Beziehenden von Ergänzungsleistungen und bei Armutsbetroffenen ans Eingemachte.

Empfehlungen der SKOS befolgen

Bereits im Oktober hat die SKOS den Gemeinden empfohlen, «in der aktuellen Situation die effektiven Mietnebenkosten zu übernehmen, auch wenn dadurch die Limiten für Nebenkosten überschritten werden.» Das Sozialamt des Kantons Zürich hat im Sozialhilfehandbuch (Kapitel 7.2.04) verdeutlicht, was dies konkret heisst: «Weiter erwiese sich die Auflage, eine günstigere Wohnung zu suchen, wohl als nicht verhältnissmässig, wenn aufgrund gestiegener Energiepreise mietvertraglich als Mietnebenkosten höhere Akontozahlungen vereinbart würden, sodass die Wohnkosten neu über die von der Gemeinde definierte Mietzinsobergrenze ansteigen.» Was im Kanton Zürich gilt, muss in allen Schweizer Gemeinden gelten: In der aktuellen Situation müssen Sozialdienste die Nebenkosten vollumfänglich übernehmen. Alles andere wäre rechtlich unhaltbar.

Nebenkostenanstieg kann zu prekären Situationen führen

Wie sehr hohe Nachforderungen von Nebenkosten Sozialhilfeempfangende belasten können, zeigt ein Beispiel aus einer Zürcher Gemeinde. Sozialhilfeempfängerin CZ lebt seit Jahren mit ihrer Familie in einer gemäss den Mietzinsrichtlinien dieser Gemeinde zu teuren Wohnung. Das Sozialamt hat dies bislang akzeptiert, da die Sozialhilfeempfängerin die Differenz zwischen der Mietobergrenze und dem realen Mietzins aus dem Grundbedarf bezahlte. Bereits in den vergangenen Jahren reichte die Sozialhilfeempfängerin dem Sozialamt Gesuche ein, Nachforderungen der Vermieterin für die regelmässigen Akonto-Zahlungen übersteigenden Nebenkosten, zu übernehmen. Dies hat das Sozialamt jeweils abgelehnt. Es verwies darauf, dass sich die definierten Mietzinsobergrenzen inklusive der Nebenkosten verstünden. Im November 2022 reichte die armutsbetroffene Frau nun aber eine Nebenkosten-Nachforderung von fast CHF 2 500 ein. Diese hohen und unerwarteten Zusatzkosten sprengten das finanzielle Leistungsvermögen der Sozialhilfeempfangenden bei weitem. Das Sozialamt lehnte die Übernahme dieser Kosten trotzdem erneut ab. Nach einem Einspruch der Sozialhilfeempfängerin entschied die Gemeinde jedoch, die Nachforderung zu begleichen. Sie begründete den Sinneswandel mit Verweis auf die Empfehlung der SKOS und die Vorgabe im Sozialhilfe-Handbuch des Kantons Zürich. Gleichzeitig verpflichtete sie aber die Sozialhilfeempfangende dazu, bei der Vermieterin der Wohnung höhere Akonto-Zahlungen für die Nebenkosten zu verlangen und sich eine Wohnung zu suchen, die innerhalb der Mietzinsrichtlinien liegt. Da die Mietwohnung der Sozialhilfeempfängerin bereits vor den horrend gestiegenen Nebenkosten die von der Gemeinde definierte Mietzinsobergrenze sprengte, ist diese Auflage zulässig.

Günstiger Wohnraum ist vom Aussterben bedroht

Aber es sind nicht die Nebenkosten allein die den Armutsbetroffenen Sorge bereiten. Der Wohnungsmarkt ist ausgetrocknet. Günstige Wohnungen sind Mangelware. Der Tagesanzeiger schreibt dazu: «In den Städten ist die Wohnungsnot seit langem Realität. Auf dem Land gab es bisher noch immer Gegenden, in denen die Häuser unverkäuflich und die Wohnungen leer waren. Aber auch das ist vorbei. Eine schweizweite Leerwohnungsziffer von 1.31 Prozent bedeutet, dass praktisch alle Wohnungen bewohnt sind.» Im Dezember 2022 sind die auf Homegate ausgeschriebenen Wohnungen für den Raum Zürich um 34.7 Prozent zurückgegangen, für den Raum Basel um 29.7 Prozent und in Bern um 15.9 Prozent. Wo das angebotene Gut knapp ist, steigen die Preise. Das ist auch bei Wohnungsmieten so. Hinzu kommen die Inflation und die steigenden Hypothekarzinsen, die sich negativ auf die Mieten auswirken. In der Stadt Zürich sind die Mieten bereits 2022 gemäss dem Mietzinsindex der Zürcher Kantonalbank um satte 6,2 Prozent, in Basel um 3,7 und in Bern immerhin um 1.4 Prozent gestiegen. Auch die Agglomeration und die Landschaft dürfte demnächst von steigenden Mieten betroffen sein, sofern dies nicht bereits der Fall ist. Das betrifft zwar zunächst vor allem die Neubauwohnungen, dürfte sich aber im Verlaufe des Jahres auch auf bestehende Mietverhältnisse auswirken. Vor allem aber bedeuten die für einen erheblichen Teil der Mieter:innen kaum bezahlbaren Wohnkosten in Neubauten, dass Altbauwohnungen nicht frei werden. Niemand verlässt sein «bezahlbares Nest», wenn es keine guten Alternativen gibt. Wie sollen in dieser Situation Armutsbetroffene zu einer günstigen Wohnung kommen? Die Gemeinden müssen diese äusserst angespannte Situation in ihrem Handeln berücksichtigen. Erstens gilt es, die Mietzinsobergrenzen regelmässig zu überprüfen. Sind sie realistisch bemessen? Gibt es Wohnungen auf dem Markt, die der Mietzinsobergrenze entsprechen? Es kann nicht sein, dass Gemeinden die Mietzinsobergrenzen so tief ansetzen, dass Sozialhilfeempfangende zu einem Umzug in eine andere Gemeinde gezwungen werden.

Suchen heisst nicht Finden

Zweitens sind Sozialdienste gehalten, sich akkurat an die Empfehlungen der SKOS zu halten. Natürlich müssen Sozialhilfeempfangende, die in zu teuren Wohnungen leben, eine günstigere Bleibe suchen. Aber Suchen heisst nicht Finden. Vorgaben, wie die folgende, die dem Merkblatt einer Berner Gemeinde entstammt, sind gemäss den SKOS-Richtlinien nicht zulässig: «Überhöhte Mietzinse werden lediglich bis zum nächsten Kündigungstermin übernommen». Die SKOS hält eindeutig fest: «Überhöhte Wohnkosten sind so lange zu übernehmen, bis eine zumutbare günstigere Lösung zur Verfügung steht.» Bei einem derart ausgetrockneten Wohnungsmarkt liegt es nicht alleine in der Hand der Sozialhilfeempfangenden, ob sie eine Wohnung finden. Es braucht dazu auch Vermieter:innen, die entsprechenden Wohnraum anbieten.

Pragmatismus der Sozialämter ist gefragt

Und es braucht die pragmatische Unterstützung der Sozialdienste. An erster Stelle steht hier eine seriöse und umfassende Beratung der Armutsbetroffenen. Sozialhilfeempfangende müssen wissen, welche Möglichkeiten sie bei einer Wohnungssuche haben, und wie sie ihre Bemühungen belegen müssen. Und es hilft, wenn Sozialämter die Armutsbetroffenen bei der Wohnungssuche unterstützen, beispielsweise in dem sie unkompliziert allfällige Depotleistungen bezahlen, respektive bereits im Voraus bestätigen, dass die Gemeinde die nötigen Sicherheiten übernimmt. Günstige Wohnungen sind in der Regel innert kürzester Zeit weg. Sozialhilfeempfangende sollten deshalb nicht noch lange mit dem Sozialamt über allfällige Sicherheiten verhandeln müssen.

Ganz generell sind in dieser Zeit der akuten Wohnungsnot und der steigenden Wohnkosten Fairness und Pragmatismus gefragt. Das gilt für die vollständige Übernahme von Nebenkosten genauso wie für faire Spielregeln, wenn es um die Suche einer neuen Wohnung oder um steigende Mieten geht.

Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS:: Sihlquai 67 :: CH-8005 Zürich
Telefon: 043 540 50 41 :: Fax: 043 544 27 33 :: Email: info@sozialhilfeberatung.ch :: Konto IBAN CH23 0900 0000 6007 3033 5