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Rechtsberatung vor Ort in Baden

Die Rechtsberatung für Sozialhilfeempfangende konzentriert sich in der Regel auf telefonische Beratungen. Im Rahmen der 10-Jahr-Feierlichkeiten der UFS machen die Rechtsberaterinnen und Rechtsberater für einmal eine Ausnahme. Sie dislozieren nach Baden und empfangen ratsuchende Armutsbetroffene direkt vor Ort zu einer persönlichen Beratung:

  • Montag, 20. März 2023, 14.00 Uhr - 18.00 Uhr
  • Caritas Aargau, Bahnhofplatz 1, 5400 Baden

Ratsuchende müssen sich nicht anmelden. Es lohnt sich aber, rechtzeitig vor Ort zu sein, da sich möglicherweise viele Armutsbetroffene für eine Rechtsberatung einfinden. Achtung: Die Rechtsberater:innen der UFS fokussieren ausschliesslich auf Fragestellungen rund um das Sozialhilferecht.

Tobias Hobi, Zoë von Streng, Nicole Hauptlin und Kathrin Haselbach freuen sich auf viele spannende Anfragen und sind zuversichtlich, in vielen Fällen weiterhelfen zu können.


Ein ereignisreiches Jubiläumsjahr 2022

Mit dem JAHRESBERICHT 2022 und dem FINANZBERICHT 2022 legen wir Rechenschaft darüber ab, was wir im letzten Jahr geleistet und wie wir die Finanzmittel eingesetzt haben. Es ist uns ein grosses Anliegen, dass wir unsere Tätigkeit gegenüber der Öffentlichkeit und namentlich gegenüber allen Spender:innen und Vertragspartner:innen transparent aufzeigen und unsere Kernanliegen sichtbar machen.


Wohnen mit Sozialhilfe - 2023 wird es besonders eng!

Eine sichere und angemessene Wohnunterkunft ist die wichtigste Voraussetzung für Sozialhilfeempfangende, um einen Ausweg aus der Armut zu finden und in der Gesellschaft wieder Fuss zu fassen. Aber das ist keine Selbstverständlichkeit. In den meisten Städten und Gemeinden der Schweiz sind bezahlbare Wohnungen ein knappes Gut. Das gilt nicht nur für Armutsbetroffene, sondern auch für Personen und Familien bis weit in den Mittelstand hinein. Sozialhilfeempfangende aber sind vom knappen Wohnungsangebot besonders betroffen.

Im Jahr 2023 werden die Wohnkosten deutlich steigen – nicht nur wegen den höheren Nebenkosten. Das ohnehin rare Gut «Günstige Wohnung» wird noch seltener. Mit einer Reihe von Newslettern beleuchtet die UFS die Herausforderung «Wohnen mit Sozialhilfe» mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten. Die UFS will damit dazu beitragen, dass das Thema stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rückt.

  • Die Newsletter mit Schwerpunkt «Wohnen» werden von der Glückskette finanziell unterstützt. Dafür bedanken wir uns herzlich



Kein Zwang zum Vorbezug von Pensionskassenguthaben

Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen hat die Praxis eines Sozialdienstes beurteilt, der einen Sozialhilfebezüger zum Vorbezug des BVG-Guthabens verpflichtete. Das Verwaltungsgericht hat dem Ansinnen eine deutliche Abfuhr erteilt. Es beurteilte diese unschöne Praxis gleich, wie das Zürcher Verwaltungsgericht, das eine ähnliche Beschwerde zu prüfen hatte. Während sich das Zürcher Verwaltungsgericht aber aufgrund einer unterschiedlichen Rechtsgrundlage im Kanton Zürich auf die SKOS-Richtlinien stützte, argumentierte das St. Galler Verwaltungsgericht mit bundesrechtlichen Normen und Bundesgerichtsentscheiden. Laut dem Gericht wird durch die Verpflichtung zum Vorbezug des BVG-Guthabens der bundesrechtliche Vorsorgeschutz verletzt und unverhältnismässig in die Altersvorsorge eingegriffen. Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS, die den Sozialhilfebezüger vertreten hatte, beurteilt dieses Urteil als wegweisend für den Schutz von Sozialhilfebeziehenden.

Armutsbetroffener kommt an den Rand der Existenzsicherung

Eine St. Galler Gemeinde hatte die Sozialhilfeleistungen für einen Schweizer Sozialhilfebezüger eingestellt mit dem Hinweis, er könne sein angespartes Altersguthaben beziehen und bis zum Bezug der AHV-Rente davon leben. Der betroffene Arbeitslose hat wenige Jahre vor der Pensionierung seine Stelle verloren. Bis zum Bezug von Sozialhilfeleistungen musste er seine sämtlichen Ersparnisse aufbrauchen. Die wiederholten Leistungseinstellungen durch die Sozialbehörde brachten ihn an den Rand der Existenzsicherung.

Zweite Säule nur ergänzend zur AHV auflösen

Bereits im März letzten Jahres hatte das Bildungsdepartement des Kantons St. Gallen entschieden, dass es für den Betroffenen nicht zumutbar sei, bis zur Erreichung des Pensionsalters von seiner Altersvorsorge leben zu müssen. Diese diene dem Lebensunterhalt im Alter und solle frühestens zusammen mit der AHV-Rente bezogen werden. Das Verwaltungsgericht bestätigt nun den Entscheid der Vorinstanz und bezieht sich dabei auf verschiedene Bundesgesetze und Bundesgerichtsentscheide, welche den Schutz von Vorsorgeguthaben sichern. Auch der Bundesrat habe in seiner Botschaft zu den Überbrückungsleistungen festgehalten, dass die Freizügigkeitsguthaben der 2. Säule nur ergänzend zu einer AHV-Altersrente aufgelöst werden sollen, damit der Vorsorgezweck erhalten bleibe. Zudem würde das unfreiwillig bezogene Freizügigkeitsguthaben der von Bundesrechts wegen bis zum tatsächlichen Bezug geschützten Invalidenvorsorge entzogen.

Wegweisendes Urteil

Das Urteil des St. Galler Verwaltungsgericht hat eine wegweisende Bedeutung über die Kantonsgrenzen hinaus. In denjenigen Kantonen, in denen eine solche Praxis anzutreffen ist, ist die Rechtslage praktisch identisch und die vom Gericht angerufenen bundesrechtlichen Normen und Bundesgerichtsentscheide zum Schutz von Vorsorgeguthaben sind auch dort zu beachten.

Schutz von Vorsorgeguthaben respektieren!

Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht fordert, dass Sozialdienste in der ganzen Schweiz den bundesrechtlichen Schutz von Vorsorgeguthaben respektieren. Die von den Betroffenen durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge lebenslang angesparten Altersguthaben solle nicht von einzelnen Gemeinden ihrem verfassungsrechtlichen Zweck, nämlich der Erhaltung des gewohnten Lebensunterhaltes im Alter, entzogen werden.

Der Entscheid des Verwaltungsgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Der Entscheid im Wortlaut: Urteil Verwaltungsgericht St. Gallen


Herzliche Gratulation zur Wahl in den Bundesrat, Frau Elisabeth Baume-Schneider

Sehr geehrte Frau Bundesrätin

«...und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen. Dieser Teil aus der Präambel der Schweizerischen Bundesverfassung hat mich persönlich, politisch und beruflich ein Leben lang geleitet. Heute stelle ich meine Werte in den Dienst des Landes.» Dieser wichtige Bestandteil der Präambel, die Sie in der Antrittsrede nach ihrer erfolgreichen Wahl formuliert haben, hat uns von der UFS besonders gefreut und berührt. Dies Punkt ist auch für unsere Arbeit seit 10 Jahren wegleitend und ist uns bei der Arbeit für Armutsbetroffene eine wichtige Motivation.

Wir freuen uns sehr, dass mit Ihrer Wahl eine Frau in den Bundesrat einzieht, die diese wichtige Präambel laut und deutlich formuliert. Wir sind sehr zuversichtlich, dass Sie Ihre Werte nachhaltig im Bundesrat einbringen und diese zum Nutzen des Landes und, wie es dieser Satz ausdrückt, vor allem auch für die Armutsbetroffenen entfalten können.

Wir wünschen Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesrätin, viel Erfolg und Erfüllung im neuen Amt und hoffen, dass wir den Inhalt der Präambel «...und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen» dank Ihnen stärker in der realen Politik spüren, als dies bis heute der Fall ist.

Herzliche Grüsse

Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS


Die Sozialhilfe in der Schweiz und die UFS

Prof. Dr. Carlo Knöpfel hat anlässlich des 10-Jahr-Jubiläums der UFS die Sozialhilfe in der Schweiz analysiert, die Schwächen offengelegt, Forderungen für Verbesserungen formuliert und die Bedeutung der UFS gewürdigt. Lesen Sie hier seine Ausführungen

Die Sozialhilfelandschaft ist in der Schweiz alles andere als ein homogenes Gebilde. Zu gross sind allein schon die organisatorischen Unterschiede zwischen der Deutsch- und der Westschweiz. Wo die einen die Sozialhilfe weitgehend an die Gemeinden delegieren, sind bei den anderen die Kantone in der Pflicht. Das führt zu einem Flickenteppich, der durch kein nationales Sozialhilfegesetz zusammengehalten wird. In den letzten 30 Jahren hat es immer wieder Anläufe gegeben, die Sozialhilfe in der Schweiz zu harmonisieren. Liest man den letzten Bericht des Bundesamtes für Sozialversicherungen zu diesem Thema, findet man durchaus Sympathie für eine nationale Gesetzgebung. Nur fehlte in diesem Bericht jeder Hinweis, wie sich der Bund, sollte er in diesem Feld der Sozialpolitik legiferieren, sich an den Kosten der Sozialhilfe beteiligen würde. Wenig überraschend wehrte sich die Konferenz der Sozialdirektorinnen und -direktoren gegen den Verlust dieser Kompetenz und verwiesen auf die Möglichkeit eines interkantonalen Konkordats. Allen Beteiligten war klar, dass dieses niemals kommen würde. Möglicherweise ist es tatsächlich vergebliche Liebesmüh, sich für ein nationales Sozialhilfegesetz zu engagieren.

Gute Lösungen sind möglich

Rechtlich einfacher, aber auch radikaler wäre es, die Sozialhilfe durch die Ergänzungsleistungen zu ersetzen. Damit müssten keine neuen verfassungsrechtlichen Grundlagen geschaffen werden, die Harmonisierung der Leistungen wäre gewährleistet und die materielle Unterstützung für die Betroffenen besser. So abwegig ist dieser Vorschlag nicht. Der Bund hat sich auch mit dieser Frage wiederholt beschäftigt, kam aber zu keinem mehrheitsfähigen Vorschlag. Inzwischen haben aber einige Kantone Ergänzungsleistungen für Familien eingeführt, die den Weg in die richtige Richtung weisen.

Das fehlende nationale Sozialhilfegesetz kann durch die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe nur bedingt kompensiert werden. Diese Richtlinien sind Empfehlungen, denen die Kantone mehr oder weniger weit folgen. Unterschiede zeigen sich nicht nur bei den materiellen Leistungen, also etwa beim Grundbedarf und dessen Anpassung an die Teuerung, sondern zum Beispiel auch im Bereich der sozialen und arbeitsmarktlichen Integrationsmassannahmen oder bei den situationsbedingten Leistungen. Da hilft die rechtliche Beratung der Sozialdienste durch die SKOS auch nicht immer weiter. Diese heterogene Sozialhilfelandschaft führt vielmehr zu einer Ungleichbehandlung der Betroffenen. Nicht nur die Armut, auch die Unterstützung durch die Sozialhilfe hängt vom Wohnort ab.

Strukturelle Gründe führen Fehlentscheiden

Wo Menschen entscheiden, passieren Fehler. Es kann hier nicht darum gehen, einzelne Sozialarbeitende in der Sozialhilfe auf Grund ihrer nicht korrekten Rechtsentscheide an den Pranger zu stellen. Vielmehr muss auf strukturelle Gründe hingewiesen werden, die rechtliche Fehlentscheide geradezu provozieren.

Viele Sozialämter leiden unter Personalmangel. Die Fluktuation ist hoch. Die Zeit für eine gute Einführung in die Materie knapp. Oftmals werden Leute angestellt, die mit der Materie nicht gut vertraut sind, aber rasch Verantwortung für ihre Dossiers übernehmen müssen. So sinnvoll «learning by doing» sein mag, in diesem sensiblen Bereich ist diese Methode fehl am Platz.

Zudem wird in manchen Sozialämtern die hohe Dossierzahl beklagt. Die Sozialarbeitenden haben kaum Zeit, sich mit den einzelnen Fällen vertieft auseinanderzusetzen. Entscheide müssen rasch getroffen und kommuniziert werden. Das Risiko, falsch zu liegen, ist entsprechend gross. Es überrascht darum nicht, dass einzelne Sozialdienste inzwischen die Zahl der zu betreuenden Dossiers pro angestellte Person reduziert haben. Diese Massnahme führt nicht nur zu einer höheren Ablösequote, sondern reduziert auch die Wahrscheinlichkeit von Fehlentscheiden.

Ein dritter struktureller Grund, der zu nicht korrekten Entscheiden in der Sozialhilfe beiträgt, ist die mangelhafte Ausbildung der Sozialarbeitenden im Sozialhilferecht. Die Hochschulen für Soziale Arbeit investieren vergleichsweise wenig in den sozialrechtlichen Kompetenzerwerb. Auch die Rechtsfakultäten der Universitäten halten sich in Sachen Sozialversicherungs- und Sozialhilferecht vornehm zurück. Die eingeschränkten Möglichkeiten für eine kompetente Ausbildung stehen in einem krassen Kontrast zur Regelungsdichte im Sozialhilferecht. Die Richtlinien der SKOS werden immer komplexer, die Ausführungen zum Verständnis der Richtlinien von Revision zu Revision ausführlicher. Wer sich die neueste Ausgabe dieser Richtlinien ansieht, gewinnt nicht zufällig den Eindruck, dass es sich um ein Gesetz mit den entsprechenden Ausführungsbestimmungen handelt.

Reaktion auf wachsende Komplexität

Damit reagiert die SKOS aber nur auf die wachsende Komplexität der Fälle in der Sozialhilfe. Menschen, die bei der Sozialhilfe Unterstützung suchen, haben selten nur zu wenig Geld. Sie befinden sich vielmehr in einer prekären Lebenslage und haben mit zahlreichen Problemen zu kämpfen, sei dies auf dem Arbeitsmarkt, sei dies im Zusammenhang mit der Wohnsituation, sei dies wegen gesundheitlicher Einschränkungen, sei dies auf Grund ihrer hohen Schulden. Trotz all dieser Schwierigkeiten haben sie aber ein Anrecht auf ein würdiges Leben in unserer Gesellschaft. Darauf weist die Bundesverfassung in Artikel 12 hin. Ich zitiere: «Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.» Zitatende.

Die Arbeit auf den Sozialdiensten ist entsprechend äusserst anspruchsvoll. Und es überrascht nicht, dass dabei Fehler passieren. Wir dürfen aber nicht erwarten, dass die Betroffenen ohne Hilfe von Dritten merken, dass da etwas nicht stimmen kann. Hier braucht es einen rechtlichen Beistand von Leuten, die in kompetenter Weise Menschen helfen, die annehmen, dass sie in der Sozialhilfe nicht zu ihrem Recht gekommen sind. Die UFS füllt diese Lücke als Pionierin auf diesem Gebiet. Inzwischen laufen auch in anderen Kantonen Bemühungen, die unentgeltliche Rechtsberatung für armutsbetroffene Sozialhilfebeziehende auf- und auszubauen. Wie wichtig diese Arbeit für die Betroffenen ist, möchte ich mit einem Zitat aus einem Leserbrief illustrieren, der im Strassenmagazin von Surprise 535/22 zu lesen war. Ich zitiere: «So steht mir aufgrund persönlichen Engagements und Unterstützung durch die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilfer4echt mittlerweile deutlich mehr Geld zur Verfügung als ohne Intervention (…). Mir tun die Leute leid, die nicht über diese Möglichkeit verfügen. Die Gemeinden sollten verpflichtet werden, die Bezüger*innen über die Existenz der UFS aufzuklären, es sollte in einem der vielen Papiere stehen, die man unterzeichnet.» Zitatende.

Zum Verhältnis von Sozialdiensten zur UFS

Wie muss man sich das Verhältnis zwischen den Sozialdiensten und der UFS vorstellen? Die Vermutung liegt nahe, dass diese Beziehung konfliktiver Art ist. Das muss aber nicht sein. Vielmehr ist zu wünschen, dass das Zusammenwirken von Sozialhilfe und unabhängiger Rechtsberatung von einem gemeinsamen Lernen und einem gemeinsamen Wunsch nach korrekter rechtlicher Behandlung der Betroffenen geprägt ist. Dazu gehört, dass im einvernehmlichen Gespräch zwischen den Sozialarbeitenden in den Sozialdiensten und den Juristinnen und Juristen der UFS Ermessenspielräume zu Gunsten der Hilfesuchenden und nicht primär zu Gunsten der Sozialhilfe ausgelotet werden.

Das bedeutet, dass die UFS nicht einfach interveniert, damit interveniert ist. Unabhängige Rechtsberatung meint schliesslich auch, dass den Betroffenen erklärt wird, wie der Sachverhalt zu verstehen ist. Und in nicht wenigen Fällen sind die Entscheide rechtens, auch wenn sie von den Betroffenen als ungerecht empfunden werden. Auch diese empathische Soziale Arbeit, die von der UFS geleistet wird, muss anerkannt und honoriert werden.

Zur Finanzierung

Bleibt die Frage nach der Finanzierung der UFS und aller weiteren unentgeltlichen Rechtsberatungen im Sozialhilferecht. Auf der einen Seite erbringt die UFS so etwas wie einen service public für Menschen, die sich Anwältinnen und Anwälte nicht leisten können, auf der anderen Seite muss sich die UFS ihre Unabhängigkeit bewahren. Es ist darum gut, wenn sich Gemeinden und Kantone dazu durchringen, die Leistungen der UFS abzugelten. Neu ist dieser Ansatz nicht. So kennt zum Beispiel die Invalidenversicherung seit vielen Jahren eine unentgeltliche Rechtsberatung, die von ihr finanziert wird. Diese Stellen halten sich aber im sozialpolitischen Diskurs vornehm zurück. Darum ist zugleich aber auch die Zivilgesellschaft gefordert, die UFS weiter zu unterstützen. Nur so kann sie sich jene Unabhängigkeit bewahren, die sie für ihre Arbeit benötigt. Diese Arbeit greift über die Rechtsberatung hinaus. Die UFS mischt sich auch in die Sozialpolitik ein. Als kompetenter Akteur mit jahrelanger Erfahrung erhebt sie ihre Stimme, wenn die nationale oder kantonale Sozialpolitik auf Abwege gerät. Immer wieder weist sie auf rechtliche Missstände hin, die manchen, die sich in der Sozialhilfe nicht so gut auskennen, entgangen wären. Sie wird damit zu einem «public eye» in der Sozialpolitik und Teil einer Allianz von Akteuren, die sich für die benachteiligten Menschen und mit ihnen engagieren. Das ist eine aufwendige Arbeit, nicht zuletzt darum – und hier schliesst sich der Kreis -, weil die Sozialhilfe nicht national, sondern kantonal und kommunal organisiert ist.

Ich begrüsse es sehr, dass die UFS auch dieses sozialpolitische Mandat wahrnimmt. Damit sie dies auch weiterhin tun kann, muss sie aber ihre Unabhängigkeit bewahren.


Vier Forderungen für eine bessere Sozialhilfe

Die UFS sieht erhebliches Verbesserungspotenzial bei der Sozialhilfe der Schweiz. Anlässlich ihres 10 Jahr-Jubiläums hat sie vier Forderungen formuliert, die die Sozialhilfe substanziell und nachhaltig verbessern würden. Sehen Sie hier die Präsentation zum 10. Geburtstag der UFS und lesen Sie die …


Wichtige Etappensiege der UFS

Die UFS setzt sich seit 10 Jahren für einen menschenwürdigen Sozialstaat ein, der den in der Präambel zur eidgenössischen Bundesverfassung niedergeschriebenen Grundsatz «...und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen» ernst nimmt und ihn umsetzt. Im Alltag ist das leider oft nicht der Fall. Die Sozialhilfe und mit ihnen viele Armutsbetroffene stehen seit Jahren unter grossem Druck.

Trotzdem kann die UFS – in der Regel zusammen mit gleichgesinnten Mitstreiter:innen anderer Organisationen und Institutionen – immer wieder kleinere und grössere Etappensiege verbuchen. Diese Etappensiege führen allerdings nicht zu einer Verbesserung der Sozialhilfe. Sie verhindern lediglich drastische Verschlechterungen. Gleichwohl sind es Lichtblicke. Fünf der wichtigsten Lichtblicke sprechen wir hier an.

Revision des Zürcher Sozialhilfegesetz nicht umgesetzt

2018 plante der Zürcher Regierungsrat eine Revision des Sozialhilfegesetzes. Dieses sah verschiedene Verschärfungen und Verschlechterungen für die Sozialhilfeempfangenden vor. Gemeinsam mit Hilfswerken und weiteren gemeinnützigen Organisationen wie Caritas Zürich und den Sozialwerken Pfarrer Sieber wehrte sich die UFS deshalb gegen die Revision. Die UFS konnte zusammen mit ihren Partnern aufzeigen, dass der Entwurf des neuen Sozialhilfegesetzes in zahlreichen Punkten in klarem Widerspruch zum Auftrag der Sozialhilfe steht. Die UFS und die mit ihr opponierenden Organisationen hatten Erfolg. Der Regierungsrat entschied, die Revision nicht weiterzuverfolgen.

Bei der Teilrevision des Sozialhilfegesetzes im Kanton Baselland das Schlimmste verhindert

In verschiedenen Kantonen reichte die SVP Motionen unter dem irreführenden Titel «Motivation statt Repression“ ein. Sie forderte, den Grundbedarf der Sozialhilfe generell um 30 Prozent zu kürzen und nur bei Wohlverhalten der Sozialhilfeempfangenden diese wieder schrittweise zu erhöhen. Im Kanton Baselland wurde die Motion mit knapper Mehrheit überwiesen. Die Teilrevision, die der Basler Regierungsrat ausarbeitete, sah denn auch massive Verschlechterungen für die Sozialhilfeempfangenden vor. Zusammen mit anderen Organisationen bekämpfte die UFS die Teilrevision. Sie zeigte auf, dass diese unverhältnismässig, unnötig und kompliziert sei. Sie machte transparent, dass die geplante Revision rechtsstaatlich bedenklich sei und die Ziele der Sozialhilfe unterwandere. Zudem, so argumentierte die UFS, sei die Teilrevision ein bedeutender Rückschritt hinsichtlich der Harmonisierungsbestrebungen in der Sozialhilfe. Der Basler Regierungsrat zog die Vorlage zurück und erarbeitete eine neue Version. In dieser verzichtete er auf die meisten der ursprünglich geplanten Verschlechterungen. Nur ein Punkt blieb erhalten: Der Grundbedarf für Langzeit-Sozialhilfeempfangende sollte unter das von der SKOS empfohlene Existenzminimum gesenkt werden. Am 15. Mai 2022 stimmte die Basler Bevölkerung der Revision zu. Die UFS und die weiteren Organisationen hatten das Schlimmste verhindert, aber der eine Punkt bleibt im Kanton Baselland ein «Tolggen» im Sozialhilferecht·

Kein Abbau der Sozialhilfe im Kanton Aargau

Mit gleich zwei Vorstössen aus den Reihen der SVP und weiterer bürgerlicher Kantonsparlamentarier:innen musste sich der Aargauer Regierungsrat befassen. Die Parlamentarier:innen verlangten einerseits ebenfalls die generelle Kürzung des Grundbedarfs um 30 Prozent. Andererseits forderten sie, dass die Höhe der Sozialhilfe davon abhängen soll, wie lange jemand als Arbeiternehmer:in Steuern bezahlt und in die Sozialwerke einbezahlt hat. Beide Vorstösse wurden nicht wie gewünscht als verbindliche Motionen, sondern nur als weniger verbindliche Postulate überwiesen. Gleichwohl musste die Aargauer Regierung dazu Stellung nehmen. Die UFS zeigte in ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf, dass beide Vorstösse gegen die Grundsätze der Sozialhilfe gerichtet seien und keinen Nutzen bringen würden. Nach eingehender Prüfung lehnte der Aargauer Regierungsrat beide Postulate ab. Das Parlament folgte kurz darauf den Empfehlungen des Regierungsrates.

UFS bodigt den Aargauer Armenhausparagraph

2019 hielt der Aargauer Regierungsrat in einer Verordnung fest: «Personen, die in verschiedenen Lebensbereichen Unterstützung bedürfen, können zur Umsetzung entsprechender Betreuungs- oder Integrationsmassnahmen einer Unterkunft zugewiesen werden.» Dieser Passus erinnerte an schlimme Praxen administrativer Versorgungen aus der Vergangenheit. Die UFS opponierte zusammen mit zahlreichen anderen Kräften gegen diese Verordnung. Der Aargauer Regierungsrat hob sie nach einem Jahr wieder auf.

Aargau verbietet Rückerstattungsforderungen aus der gebundenen Vorsorge

Es ist eine sehr unerfreuliche Praxis, die in manchen Aargauer Gemeinden praktiziert wird und bald der Vergangenheit angehören dürfte. Sozialhilfeempfangende werden zu Rückerstattungsleistungen aus der gebundenen Vorsorge gedrängt. Die UFS ging gegen diese Praxis vor und rief letztendlich das Bundesgericht an. Das erklärte Rückerstattungsforderungen aus der gebundenen Vorsorge im Kanton Aargau zwar grundsätzlich als rechtens, knüpfte sie aber an sehr strenge Bedingungen. Die Hürden, Rückerstattungsforderungen aus der gebundenen Vorsorge zu erheben, wurden so hoch gelegt, dass sie in der Praxis nur noch sehr selten hätten angewendet werden können. Hätten: Denn im Sommer 2022 untersagte der Aargauer Regierungsrat den Gemeinden definitiv, Rückerstattungsforderungen aus der gebundenen Vorsorge zu erheben.

BSV-Studie belegt Notwendigkeit von unabhängigen Rechtshilfeberatungen

2020 publizierte das Bundesamt für Sozialversicherungen BSV die Studie «Rechtsberatung und Rechtsschutz in der Schweiz». Die Studie zeigte unmissverständlich auf, dass Armutsbetroffene in der Schweiz nur über einen sehr ungenügenden und lückenhaften Rechtsschutz verfügen. Der Handlungsbedarf, den die Studie ortete, war umfangreich. Auf rechtlicher Ebene verlangten die Verfasser:innen zum Beispiel:

  • Das Recht auf unabhängige Rechtsberatung ist grundrechtlich geboten und hat bereits Vorbilder in anderen Rechtsgebieten (z.B. Opferhilfegesetz). Es sollte durch rechtliche Ansprüche auf Beratung und Information und auch durch Finanzierung unabhängiger Beratungsstellen umgesetzt werden.
  • Der Zugang zu Rechtsinformationen muss im Sinne des Rechtstaats- und Oeffentlichkeitsprinzips verbessert werden.O
  • Die unentgeltliche Rechtspflege, die Rechtsverbeiständung eingeschlossen, muss ausgebaut werden und sollte bereits auf der ersten Verfahrensstufe vermehrt gewährt werden.
  • Weitere Handlungsmöglichkeiten im Verfahrensrecht sind insbesondere mündliche Verhandlungen im Sozialhilfeverfahren, generell Fristen nicht unter 30 Tagen und ein Verzicht auf Verfahrenskosten.

Auch gegenüber den Behörden formulierte das BSV diverse Forderungen, die auf einen besseren Rechtsschutz für Armutsbetroffene abzielten. Die Erkenntnisse der Studie sind heute leider weitgehend noch nicht umgesetzt. Die Studie zeigt aber deutlich, wie wichtig die UFS ist, und dass unsere Forderungen nach einem besseren Rechtsschutz sehr berechtigt sind.


Ein herzliches und grosses Danke unseren Spenderinnen und Spendern

Die UFS würde es ohne eine grosse Zahl von Privatpersonen und Institutionen, die uns mit kleineren, grösseren und teilweise wirklich grossen Beträgen unterstützen, nicht geben. Bei Ihnen allen bedanken wir uns ganz herzlich. Sämtliche Organisationen, Institutionen und Stiftungen, die uns seit 2013 unterstützt haben, finden Sie auf unserer Spenderliste: Spenderliste. Ein Blick darauf lohnt sich.


Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS:: Sihlquai 67 :: CH-8005 Zürich
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