Stellungnahme zum Artikel «Gehässiger Streit um Sozialhilfe» in der NZZ
Am 5.12.2017 hat die UFS eine Stellungnahme zum Artikel «Gehässiger Streit um Sozialhilfe» in der NZZ vom 30. November 2017 verfasst.
Mit dem einleitenden Satz, «Berns Linke hat einen neuen Buhmann» reduziert Lucien Scherrer die Diskussionen um die erneute Verschärfung des Sozialhilfegesetzes im Kanton Bern auf eine Rechts-Links-Querele. Es geht hier aber um weit mehr als um einen Streit zwischen den Parteien: Rund achtzehn, teilweise schweizweit tätige Organisationen, darunter Caritas Schweiz, Avenir Social und die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS haben an einer Pressekonferenz am Tag der Armut vor den unabsehbaren Folgen der krassen Eingriffe in das soziale Existenzminium von Armutsbetroffenen gewarnt. Beide Landeskirchen schlagen ebenfalls Alarm und üben in verschiedenen Publikationen harsche Kritik an der kurzsichtigen Sparrunde. Die Interkonfessionelle Konferenz mit reformierter, katholischer und jüdischer Vertretung lehnte schon den Sparvorschlag 2015 als «stossend, kurzsichtig und menschenunwürdig» ab.
Die schönfärberischen Worte des Regierungsrates, welcher von Stärkung der Eigenverantwortung und Belohnung des persönlichen Engagements redet, täuschen darüber hinweg, dass sich der Kanton Bern bei Annahme der Revision durch den Grossrat von einem gesellschaftlichen und schweizweit gültigen Konsens verabschiedet, dem sozialen Existenzminium. Der Kanton würde damit sämtliche geltenden Sozialhilfegesetze der Schweiz massiv unterbieten. Die Gesetzesrevision bricht mit weiteren fundamentalen Grundsätzen der Sozialhilfe: Die in der kantonalen Verfassung verankerten Sozialziele dürften in vielen Fällen nicht mehr erreicht werden. Statt sozialer Integration (gemäss Art. 2 Sozialhilfegesetz) wird die Ausgrenzung von Armutsbetroffenen auf die Spitze getrieben. Es werden neue Rechtsungleichheiten geschaffen: Junge Erwachsene oder Personen, die nach sechs Monaten keine Amtssprache beherrschen werden zusätzlich mit Leistungskürzungen bestraft. Der verfassungswidrige Gesetzesvorschlag dürfte eine gerichtliche Überprüfung kaum überstehen.
Mit dem neusten Sparvorschlag werden weitere Menschen aus der Sozialhilfe gedrängt. Notschlafstellen nehmen jetzt schon eine ständige Zunahme von Obdachlosen wahr, wobei zunehmend auch Menschen aus dem unteren Mittelstand betroffen sind. Bei Annahme der Gesetzesrevision werden wir uns im Kanton Bern wohl vermehrt an Obdachlose und verarmte Bettelexistenzen im Strassenbild gewöhnen müssen.